Nazis und Bullen Hand in Hand – Kommentar zur rechtsradikalen Kundgebung der Patrioten für Deutschland

Letzten Samstag war es endlich soweit. Am 19.01.2019 kam der Erlenseer Hartmut Issmer-Spielmann wieder in seine geliebte politische Wahlheimat Weimar. Mit circa 50 weiteren Rechtsradikalen und einem Fahnenmeer hetzte er gegen Merkel, die Flüchtlingspolitik und diverse „Feinde“ seiner rechten Gesinnung. Durchgeführt werden konnte die Versammlung dank der Thüringer Polizei, die den Rechten mit Rat und Tat mal wieder zur Seite stand. Und, wie sollte es anders sein, folgte eine G20-ähnliche Berichterstattung der Thüringer Presse, vor allem durch die Thüringer Allgemeine. Deswegen werden wir ein paar mehr Worte hier verlieren.

Issmer und seine Freunde in Weimar

Bild 1: Hartmut Issmer-Spielmann 19.01.2019 Weimar

Die Kundgebung war für zwei Stunden, von 14 bis 16 Uhr, angesetzt. Issmer verfolgt momentan das Konzept des Alleinunterhalters auf politischer Sparflamme. Seine eigene Partei „Patrioten für Deutschland“ (PfD) ist dabei eher Mittel zum Zweck, um seine Kundgebungen durchziehen zu können. Issmer hielt eine ähnliche Kundgebung bereits in Frankfurt ab. Es kamen 6 bis 8 Personen.

In Weimar ergab sich das, was bei derartigen Kundgebungen Gang und Gebe ist: Ein diffuses Bild unterschiedlichster politischer Akteur*Innen kommt zusammen. Sie eint ihre geschlossen rechtsradikale Weltanschauung. Neu ist sicherlich der parteiliche Schmusekurs, den man sich am Wochenende anschauen durfte. Mit Yvonne Lüttich nahm eine Rechtsradikale des III. Weges an der Kundgebung teil.

Bild 2: Yvonne Lüttich 1. September 2018 Plauen

Die offene Verbindung zu Neonazis sollte die letzten Restzweifel bezüglich Issmers Gesinnung ausräumen. Zudem nahmen mindestens zwei Erfurter Hooligans und Sympathisant*Innen der „HoGeSa“-Bewegung teil. Auch wenn die „Hooligans gegen Salafisten“ mittlerweile kaum mehr präsent sind, trifft sich die Anhänger*Innenschaft regelmäßig, wie dieses Jahr in Mönchengladbach anlässlich eines „Trauermarsches“ bezüglich eines toten Hools.

Im Vorfeld rechneten die meisten Menschen mit circa 25 bis 30 Neonazis. Dass es am Ende circa 20 mehr geworden sind, hängt mit den „Gelbwesten Thüringen“ zusammen. Sie sind Rechtsradikale aus dem Raum Sömmerda und Apolda. Jede Woche machen sie Donnerstag in Apolda und Samstag in Sömmerda eine Kundgebung. Sie sind eine relativ neue Erscheinung in Thüringen und treten erst seit Ende Dezember 2018 öffentlich auf. Ihre anscheinend friedlichen, rechten Bekundungen und die scheinbare Solidarität mit den französischen Protesten dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie schlicht rechtsradikale Ideen verbreiten. Nicht zuletzt ihre Teilnahme an der Kundgebung in Weimar bestätigt, dass sie öffentlich die Nähe zu Neonazis, rechten Hooligans und Rechtsradikalen wie Issmer suchen und dort selbst zu verorten sind.

Die Redner

Bild 3: Björn Höcke, Hartmut Issmer-Spielmann, Corinna Herold und Stephan Brandner 2017 im „Hinterzimmer“

Eröffnet hat Hartmut Issmer-Spielmann das ganze Getöse. Issmer war vorher Mitglied in der AfD und stellte Brandner und Höcke eine Immobilie in der Trierer Strasse zur Verfügung. Sie sollte sich laut Höcke zum zentralen, wöchentlichen Anlaufspunkt Weimarer Rechtsradikaler entwickeln. Dass Issmer nun auf eigene Faust unterwegs ist, dürfte vor allem seinem „schwierigen“ Charakter geschuldet sein, sich nicht wirklich unterordnen zu können. Issmer-Spielmann setzt auf genaue Abläufe. Alles muss perfekt sein und jede Bewegung auf der Bühne kommentiert er zusammenfassend.

 

Bild 4: Peter Lauer (links)

Anschließend sprach Peter Lauer. Er war lange Zeit im „Nationalen Bündnis Region Hannover“ unterwegs. Zur Zeit lässt sich Peter Lauer immer mal hier, mal da blicken und tourt ein bisschen ziellos durch die Gegend. (Quelle 1)

Besuch kam auch aus Berlin. Bärgida-Chef Karl Schmitt freute sich über seinen Besuch in der Kulturstadt Weimar. Der „Verteidiger des Abendlandes“ und Rechtsstaatverfechter mag sich sprachlich klug inszenieren, aber seine Person bleibt die Manifestation politischer Widersprüche. Zum Auftakt von Bärgida schreibt die BZ:

Bild 5: Karl Schmitt

Seit 20 Jahren sei er politisch aktiv, erklärt Schmitt. Saß unter anderem für die CDU in der Pankower BVV, zuletzt war er Schatzmeister der Partei in Lübars. Vor acht Jahren trat er aus, trennte sich offenbar im Streit: „Ich konnte den Kurs der Partei nicht mehr mittragen“. Seither engagierte sich der Mann unter anderem bei „Die Freiheit“ und „Pro Deutschland“. Laut Nachbarn in seiner Reinickendorfer Einfamilienhaussiedlung habe er häufig versucht, Anwohner aufzustacheln und für Aktionen zu mobilisieren. Die Berliner Polizei ermittelte gegen Karl Schmitt unter anderem wegen Nötigung und Körperverletzung.“ (Quelle 2)

Das ist aber nicht die feine deutsche Art. Vom Autoritäts- und Durchgepeitschtheitsgrad passt der sich am 19.01.2019 mit Peacezeichen verabschiedende Berliner perfekt zu Issmer-Spielmann. Zwei verwirrte alte weiße Männer auf der Suche nach der deutschen Identität. In Weimar werdet ihr sie sicher nicht finden.

Bild 6: Eric Graziani

Abschließend spricht Eric Graziani. Graziani tritt als Redner deutschlandweit auf. Egal ob „Merkel-muss-weg“-Inhalte, Montagsdemos in Halle oder „Wir-sind-das-Volk-“-Rumgeflenne. Graziani kann mensch für alles buchen. Während er in Deutschland durch sein Engagement wie ein weiterer Wichtigtuer wirkt, darf nicht vergessen werden, dass Graziani Mitglied der faschistischen Partei „Lega“ in Italien ist. Die Partei ist mittlerweile an der Regierung beteiligt und zeigt, wohin der Weg unter Faschisten in Europa hingeht. Menschen verrecken vor Italiens Küsten und Politiker*Innen werden gefeiert, wenn Geflüchtete keinen Zugang zum Festland erhalten. Die Straßengewalt durch Neonazis nimmt enorm zu. Die Erinnerungspolitik, die in Italien zugegebenermaßen schon länger mies ist, wird weiter negiert, relativiert oder sogar den Opfern des italienischen Faschismus die Schuld gegeben.

Verlauf der Kundgebung

Bild 7: Quelle TA

Bei dem Versuch einer Sitzblockade machten sich Bullen und Nazis gegenseitig nichts vor. Die 20-30 Personen, die den Sprung durch die Absperrungen wagten wurden mit Pfefferspray eingedeckt, an Hamburger Gitter gedrückt, zu Boden geschmissen, halb ausgezogen und durch die Gegend gezerrt. Die, die es bis zu Issmers Kundgebung schafften wurden von Nazis mit Fahnenstangen attackiert. Mit wem sich die Bullen lieber beschäftigen während dies passiert kann man sich ja denken. Bei solchen „Ausschreitungen“ ist es natürlich klar, dass das Bürgerbündnis gegen Rechtsextremismus sich um seinen Ruf sorgt. Es gab Verletzte, es gibt Anzeigen wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte für völlig legitimen und auch notwendigen Protest. Aber wichtig ist natürlich, dass es „die übergroße Zeit absolut bunt und friedlich“ (Zitat Facebook) geblieben ist. Wenn einem der Frieden so wichtig ist kann man doch verdammt nochmal klar und deutlich sagen wie überzogen die Polizeigewalt war und was für ein Arschloch es ist, der da neben den Bullen Demonstranten prügeln kann. Und dass es schön ist, wenn Menschen mehr machen wollen als an Gittern rumzustehen und Nazis zu beschreien. Der Support für so etwas ist super wichtig. Wie die Situation klar gezeigt hat sind die Nazis nicht nur auf verbaler Ebene gewalttätig. Die Schläge mit der Fahnenstange und gewaltaffine Hooligans von „HoGeSa“ zeigen doch klar und deutlich, dass es letzten Endes mehr als Trillerei braucht, um wirksam gegen Nazis sein zu können.

Danke Thüringer Allgemeine oder „Sonst alles fit bei euch?“

Abschließend zu euch, liebe Thüringer Allgemeine. Wir wissen ja, dass eine eurer großartigen Fähigkeiten in dem Abschreiben polizeilicher Meldungen besteht. Und wir wissen auch, dass ihr gerne mal den Handlanger der Bullen spielt und eure Definition von Journalismus Strafverfolgung heißt. Das ist uns schon länger bewusst. Was euch aber dazu getrieben hat, von „Ausschreitungen“ zu reden ist uns völlig schleierhaft. Meinen sie etwa den harten Vorgang der Bullen und die damit einhergehende Polizeigewalt? Oder meinen sie Rechtsradikale, die mit Fahnenstangen auf Gegner*Innen eingedroschen haben? Sie können uns ja mal übers Kontaktformular schreiben, warum sie einen Begriff verwenden, der genutzt wird, um tatsächliche Ausschreitungen zu benennen. Was sie damit generieren sind Klickzahlen. Das Gefährliche an dieser Berichterstattung ist die Legitimierung von Parallelen. Aber wenn man mal übers Ziel hinausschießt, kann das passieren, deshalb schweifen wir auch mal in andere Lebenswelten als Weimar ab. Sei es die Nazigewalt auf Chemnitz‘ Strassen 2018, die rassistischen Hetzjagden in den Kleinstädten Deutschlands oder die repressiven Angriffe der Bullen auf alles Feindliche. Ihnen ist ja Objektivität so unendlich wichtig: Dann benutzen sie den Begriff für die passenden Zusammenhänge. Jugendliche in Frankreich beteiligen sich an den Ausschreitungen, weil ihnen eine soziale und individuelle Perspektive fehlt, in einer Gesellschaft, die sie schon längst vergessen hat. In Brasilien randalieren Oppositionelle gegen die rechtsradikale Regierung Bolosonaros, in der Türkei „schreiten“ Menschen „aus“ gegen Erdogan für den Knast die Antwort auf alles Fragliche geworden ist. Nur einige Beispiele für „Ausschreitungen“. Natürlich gibt es in Deutschland auch Ausschreitungen, natürlich liegen große soziale Verwerfungen diesen zugrunde. Aber bei einer kleinen rechten Kundgebung mit Rangeleien von „Ausschreitungen“ zu sprechen ist eher der populistische Höcke-Tenor. Vielleicht schreiben sie in Zukunft in Bezug auf die Aktuer*Innen auch mal bei uns ab. Helfen würde es auf jeden Fall.


Quelle 1:

http://chronologie.blogsport.de/tag/peter-lauer/

Quelle 2:

https://www.bz-berlin.de/berlin/dieser-mann-will-die-angst-nach-berlin-bringen

Presse:

https://weimar.thueringer-allgemeine.de/web/lokal/leben/blaulicht/detail/-/specific/Ausschreitungen-bei-Kundgebung-in-Weimar-1418981652

https://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/leben/blaulicht/detail/-/specific/Ausschreitungen-auf-dem-Theaterplatz-Weimar-waehrend-Demonstration-195131096

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